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Außerfamiliäre Hofnachfolge

Außerfamiliäre Hofnachfolgen sind derzeit noch selten. Nur etwa 2-3% aller Hofübergabe geschehen auf diesem Weg. Es gibt aber zunehmend Bauernfamilien, die diesen Weg für sich einschlagen möchten. Im folgenden möchten wir Ihnen zum Einstieg in das Thema Außerfamiliäre Hofnachfolge und Existenzgründungen in der Landwirtschaft einen Überblick über Vielfalt, Problematiken und Lösungsansätze geben.

Das Höfesterben auf dem Lande geht weiter. Im Jahr 2007 haben rund 13.000 Höfe ihre Tore für immer geschlossen (Agrarbericht der Bundesregierung). Die Folgen dieses Strukturwandels haben Konsequenzen für Mensch und Natur: Ökologische Probleme wie zunehmende Verwaldung und Rückgang der Biodiversität. Und eine regionale Destabilisierung durch den Verlust von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft und in den vor- und nachgelagerten Bereichen. Ehemals landwirtschaftlich genutzte Gebäude stehen leer.

Besonders hart trifft es kleine Nebenerwerbsbetriebe. Aber auch größere Haupterwerbsbetriebe bewegen sich mehr und mehr an der Rentabilitätsschwelle in Richtung Einkommens- und Substanzverluste. Es kommt zu einer Spaltung der bäuerlichen Gesellschaft in Gewinner und Verlierer. Bäuerliche Eigentums- und Einkommenswerte werden durch unprofessionelle Betriebsaufgaben vernichtet. Die Auswirkungen im familiären und sozialpsychologischen Bereich werden selten offen angesprochen.

Neben wirtschaftlichen Gründen ist häufig die fehlende Hofnachfolge Grund für die Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes. Bei 2/3 aller landwirtschaftlichen Betriebe mit Betriebsleitern über 45 Jahre ist die Hofnachfolge ungeklärt, bzw. sind keine Hofnachfolger vorhanden.

Die Sicherheit bei der Hofnachfolge wächst mit der Betriebsgröße: Während bei den Betrieben unter 20 ha lediglich bei 27% die Hofnachfolge gesichert erscheint, ist dies bei den über 50 ha großen Betrieben immerhin bei 58% der Fall. In diesen Betrieben wird noch am ehesten ein Einkommen erwirtschaftet, das ein bis zwei Familien ernährt. Doch gerade in diesen größeren Betrieben wächst die Unklarheit bei der Hofnachfolge am schnellsten (hat sich von 1987 bis 1999 verdoppelt). Vielleicht, weil ökonomische Gründe durch andere Entscheidungsgründe der Bauernkinder überlagert werden: Wertvorstellungen, Arbeitsbelastung, andere Lebens- und Berufsvorstellungen oder das Fehlen eines Partners – dies kann alles eine Rolle dabei spielen, ob ein Hof übernommen wird oder nicht. Diese Situation ist auch in anderen Ländern zu beobachten, z.B. in der Schweiz. Auch hier haben über 50% der Betriebe keine oder eine nicht geklärte Hofnachfolge.

Eine Studie ergab: Fast die Hälfte von befragten Studierenden an landwirtschaftlichen Hoch- und Fachschulen kamen nicht von einem landwirtschaftlichen Betrieb. Von dieser Gruppe geben 2/3 an, sich trotzdem schon einmal über eine Existenzgründung in der Landwirtschaft Gedanken gemacht zu haben. 42% der Befragten ohne elterlichen Betrieb möchten tatsächlich eine eigene landwirtschaftliche Existenz gründen. Vor allem Studierende mit längeren praktischen Erfahrungen haben den verstärkten Wunsch in die Landwirtschaft einzusteigen, darunter besonders viele junge Menschen aus ländlichen Gebieten oder Kleinstädten.

Die potenziellen Existenzgründerinnen und Existenzgründer möchten Leben, Arbeit und Familie miteinander verbinden. Eher untergeordnet ist dabei z.B. die "alternative Lebensweise" die häufig als Kritik an den Existenzgründungen genannt wird. Ein hohes Einkommen erwarten die künftigen Praktiker nicht, jedoch soll ein angemessener Verdienst erwirtschaftet werden können. Bestätigt wird dies durch eine aktuelle Absolventenbefragung an der Universität Kassel-Witzenhausen: Fast 50% der Absolventen sind in die praktische Landwirtschaft eingestiegen.

Es gibt zunehmend Landwirtsfamilien, die ihren Betrieb als Ganzes erhalten und das Land nicht an den Meistbietenden verpachten, bzw. verkaufen möchten. Das Spektrum der Betriebe ist dabei vielfältig. Vom erfolgreichen landwirtschaftlichen Großbetrieb bis hin zum Resthof mit nur noch geringer Flächenausstattung. Nicht immer wird die sofortige Übergabe des Betriebes angestrebt. Vielfach sind es Betriebe, die wissen, dass keine Nachfolger in der Familie vorhanden sein werden. Diese suchen für eine längere Übergangsphase Kooperationspartner, damit diese sich in den Betrieb einarbeiten und die Altbauern sich zunehmend aus dem Betrieb zurückziehen können. Für die Abgebenden ist dies ein elementarer Schritt, denn für diese ist es wichtig, neue Interessen und Aufgaben zu entwickeln, war doch der bisherige Tagesablauf stark durch die landwirtschaftliche Tätigkeit geprägt.

Dieser Umgang mit der Hofnachfolge ist nicht unumstritten. Widerspricht er doch der gängigen Vorstellung vom Wachsen und Weichen. Dadurch entstehen auch innerhalb der bäuerlichen Gemeinschaft Konflikte, wenn vermeintlich freiwerdende Flächen doch nicht in Wachstumsbetriebe aufgehen und möglichst vielfältige agrarische Strukturen erhalten bleiben.
In Zukunft wird es mehr familienfremde Hofübergaben geben. Derzeit werden nur etwa 3% der Familienbetriebe von Personen bewirtschaftet, die diesen Betrieb nicht geerbt haben. Dennoch bieten gerade außerfamiliäre Hofübergaben für die Landwirtschaft eine große Chance: Nur so ist es möglich, eine vielfältige bäuerliche Kultur zu erhalten, die einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des ländlichen Raumes leistet.

Die Einstiegsbiographien von landwirtschaftlichen Existenzgründern sind völlig unterschiedlich. Die Existenzgründer finden mit ihren Betriebskonzepten neue Antworten auf die aktuellen Marktbedingungen. Sie besetzen mit ihren Konzepten häufig Nischen und können sich so gegenüber der Konkurrenz behaupten.

  • Der "traditionelle" Weg ist der Einstieg in einen bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb ohne Hofnachfolge.
  • Häufig zwingt der Kapitalmangel die Existenzgründer zu einem schrittweisen Einstieg; es muss also noch ein außerlandwirtschaftliches Einkommen erzielt werden.
  • Resthöfe werden neu aufgebaut oder sogar auf der "Grünen Wiese" neu gegründet.
  • Eine weitere Möglichkeit ist, in bestehende Höfe einzusteigen. Besonders die stark diversifizierten Betriebe im ökologischen Landbau erreichen ab einer bestimmten Betriebsgröße ihre personellen Kapazitäten. Betriebszweige werden ausgelagert oder der ganze Betrieb zusammen mit dem neuen Partner bewirtschaftet.
  • Die Pacht eines kompletten Betriebes oder nur der Kauf einzelner Gebäude, des Inventars und der Pacht des Landes. Eine weitere Möglichkeit zum Einstieg bietet die Pacht eines Betriebes, der zuvor in eine gemeinnützige Trägerschaft überführt wurde.

Gemeinsam ist den Existenzgründern, dass sie aufgrund ähnlicher Voraussetzungen – knappe Kapitaldecke, schwieriger Zugriff auf Land und meist sehr hohe Motivation bei realistischen (= begrenzten) ökonomischen Erwartungen –

  • tendenziell eher arbeits- als flächenintensiv produzieren,
  • sehr marktorientiert wirtschaften (Direktvermarktung),
  • Wirtschaftsformen bevorzugen, mit denen zusätzliche Fördermittel akquiriert werden können (Ökologischer Landbau; artgerechte Tierhaltung),
  • Wirtschaftsformen bevorzugen, die ihrer besonderen Motivation entsprechen (Qualitätsprodukte, Ökologischer Landbau),
  • zu Erwerbskombinationen neigen (innerhalb des Betriebs durch Diversifizierung; innerhalb der Familie durch außerlandwirtschaftliche Einkommensquellen).

Da Existenzgründer in der Regel über wenig Eigenkapital verfügen, übernehmen sie selten große und wirtschaftlich gut dastehende Betriebe. Ein erheblicher Anteil der Gründer startet schrittweise und auf der Basis von Resthöfen. Existenzgründungen bieten daher in ihrer gegenwärtig anzutreffenden Form keine ausschließliche und ausreichende Lösung für die ungeklärte Hofnachfolge großer Betriebe.

Trotz des offensichtlichen Bedarfes finden Existenzgründer und abgebende Landwirte nur schwer zueinander. Zwar steigt jährlich die Zahl der außerfamiliären Übergaben, dennoch gibt es auch Schwierigkeiten, die den Einstieg bzw. Ausstieg erschweren. Dabei ist die Finanzierung der Existenzgründung und die Abfindung der Altbauern nur ein Problem. Den abgabewilligen Landwirten und Existenzgründern fehlt bisher eine passende Beratung. Zwar bieten einige kirchliche Einrichtungen, wie z.B. die landwirtschaftlichen Familienberatungsstellen, entsprechende Beratungsgespräche an, aber dies auch nur punktuell und für viele Bauern noch nicht bekannt.
Das "Nicht-Loslassen-Können" und der Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt – auch ohne Landwirtschaft – ist ein Problem vieler Altbauern. Dazu kommen noch neue Ideen der Nachfolger, die eine Entscheidung zur Hofabgabe erschweren.

Auf der Seite der Neugründer besteht oftmals noch Bedarf an Selbstklärung und Orientierung: Stimmt die Motivation, welche Wünsche verbinde ich mit der eigenen Existenz? Wird eine mögliche Zusammenarbeit mit den Altbauern funktionieren? Diese und andere Fragen müssen beantwortet werden, damit der Einstieg erfolgreich gelingen kann. Auf der anderen Seite muss auch berücksichtigt werden, dass in der Landwirtschaft eine Existenzgründung wesentlich stärker an eine bereits vorhandene (landwirtschaftliche) Betriebsstelle gebunden ist, als in anderen Branchen. Die Suche nach einem konkreten Standort ist daher für landwirtschaftliche Existenz-gründungen elementar. Die Wahl des richtigen Ortes fällt den jungen Menschen oft nicht leicht.

Bisher gibt es nur Hofbörsen einzelner Landgesellschaften, die mit ihren marktorientierten und am Immobilienmarkt ausgerichteten Instrumenten die oben beschriebenen Bedingungen nicht erfüllen können. Primäres Ziel ist hierbei vielmehr die "marktgerechte Verwertung" der Hofstelle. Der Mensch mit seinen Bedürfnissen tritt hierbei in den Hintergrund. Daran haben aber viele Landwirte kein Interesse. Ihnen geht es in erster Linie um die Erhaltung des Betriebes als Ganzes.

Neue Hofbörsen können in Zukunft die Suche nach einer Hofstelle unterstützen. Eine besondere Bedeutung erlangen sie aber nur dann, wenn es ihnen gelingt, eine zentrale Anlaufstelle für die Beratung von Existenzgründern zu werden und die Hofübergabe nicht als Geschäft, sondern als elementaren Prozess zu verstehen. Dieser reicht von der "Agrar-Seelsorge" bis hin zur Unternehmensberatung.

Die außerfamiliäre Hofübergabe wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Neben der noch mangelnden Vermittlungs- und Beratungsmöglichkeit stehen die Existenzgründer auch noch einer Vielzahl von anderen Herausforderungen gegenüber. Dies betrifft finanzielle und rechtliche Aspekte, aber auch der Zugang zu Land oder Informationen.

Nachbarn statt Hektare

Hier besteht ein großer Handlungsbedarf und die Politik ist aufgefordert, hier unterstützend tätig zu werden, denn Existenzgründungen in der Landwirtschaft sind unabdingbar. Der Zustrom neuer Menschen bringt neue Qualifikationen und Ideen in die Landwirtschaft. Ein Berufsstand, in den keine neuen Leute strömen können, stirbt aus. In Frankreich wurde der Satz geprägt: "Wir wollen Nachbarn statt Hektare". Neugründungen haben auch eine große symbolische Bedeutung. Sie stehen dem oftmals vorhandenen negativen Selbstbild der Landwirtschaft entgegen und machen deutlich, dass Landwirtschaft ein wunderschöner, anspruchsvoller Beruf ist.

Mit Neugründungen werden auch Arbeitsplätze geschaffen, sowohl qualifizierte als auch einfache. So dehnen bisher kleine im Nebenerwerb geführte Betriebe ihre Tätigkeiten aus und beginnen zu wachsen - oftmals auch als Existenzsicherung neben dem eigentlichen Beruf. Existenzgründungen leisten einen wirtschaftlichen und kulturellen Beitrag zur Erhaltung und Entwicklung des ländlichen Raums. Damit verbunden ist auch die Bewahrung oder Umnutzung alter Bausubstanz. Der Leerstand auf den Dörfern ist schon heute nicht zu übersehen. In der Landwirtschaft werden mehr Menschen gebraucht - das ist kein Rückschritt, sondern notwendig, um Probleme zu lösen, die Stadt und Land betreffen.

Existenzgründungen müssen in der Landwirtschaft so selbstverständlich werden wie in anderen Branchen. Wenn das öffentlich anerkannt wird, dann werden sich noch mehr Menschen Existenzgründungen zutrauen und auch noch mehr Landwirte mobilisiert, die ihr Lebenswerk gerne in jüngere Hände, auch außerhalb der Familien geben und somit zum Erhalt einer vielfältigen ländlichen Struktur beitragen. Hofneugründungen setzen viel Optimismus voraus und einen Blick nach vorn!